- Meine Schaukel…
(Personal-)Debatten in der Linken
Auf meine imaginäre Schaukel habe ich mich heute zurückgezogen, um dem Treiben und halbstündlicher Nachrichten zu entgehen… Die derzeitigen Diskussionen über den Vorsitz habe ich erwartet – die Dynamik ehrlicherweise nicht ganz so. Vielleicht liegt es auch daran, dass die letzten derart intensiven Personaldebatten zu Zeiten geführt worden sind, als das Internet noch nicht so ganz präsent war: Früher hätte ich gesagt, dass mir die Ohren abfallen, jetzt flutschen mir gleichzeitig die Augen aus dem Gesicht. Ooookay, früher gab’s Zeitungen: Beleidigende, pöbelnde Töne fanden ihren Niederschlag in Leserbriefen, die nie abgedruckt wurden. Nun sind sie öffentlich sichtbar – ich steh ja durchaus auf öffentliche Debatten, aber Distanzlosigkeiten, übergriffige Pöbeleien und sogar verschwörungstheoritische Äußerungen sind leider auch mit an der Tagesordnung – für was? Für Politik.
Klar: Menschen stehen für politische Ansätze ein und werden auch emotional – ich auch. Aber ich denke gerade nach, wann ich mal distanzlos, übergriffig oder verschwörungstheoretisch in politischer Hinsicht (egal, ob innerhalb der Partei oder auch gegenüber anderen politischen Parteien) geworden bin… unsachlich sicherlich, aber dann gerne, mit voller Absicht. Ist das immer nötig? Ich würde sagen: Von “Ja” über “Vielleicht” bis “Nein” – mit starker Tendenz zum NEIN, ohne inhaltliche Debatte abzubrechen. Dafür gibt es für mich diverse Gründe:
1. Politik sollte niemals lebensbestimmend sein: Sagt jemand, die sich immer viel damit beschäftigt hat, aber eben nicht ausschließlich – sicherlich kann man sich viel Aufmerksamkeit, Lob etc. abholen, aber auch Häme, Spott, Kritik.
Ein Privatleben und andere Interessen, sind Dinge, die eine gewisse Distanz zu politischen Entscheidungen und gleichzeitig Bodenhaftung, nicht zuletzt die Reflexion der politischen Aktivität schaffen… (ohne unpolitisch zu werden). Nur dort ist sind Distanzlosigkeiten, übergriffige Pöbeleien und verschwörungstheoretische Äußerungen allerhöchstens mal begehbar, meistens nicht entschuldbar, aber man lässt sie manchmal durchgehen: Weil das Private vielleicht wirklich wichtiger und zigtausend Mal emotionaler ist, als das Politische.
Mein Eindruck ist: Es gibt Menschen, die mit dieser Partei anscheinend eine Beziehung führen: Sie ist das wichtigste. Sicherlich kann sie viele Menschen auffangen, die viele Sorgen und Nöte haben, aber genauso wie in einer Beziehung sollte man sie auch nicht überstrapazieren. Sicherlich: Manchmal machen die Partner*innen das mit und die Partei wird so zum “Raum”, in denen Menschen sich in einer Beziehung wieder finden und glauben rumpöbeln zu können - bei all den gleichzeitigen Projektionen und ätzenden Nebenfolgen von Ängsten vor einer Trennung. Aber eben nur bis zu einem gewissen Punkt. Die Partei besteht aus vielen verschiedenen Menschen und es scheint, dass die Schmerzgrenze erreicht ist…
2. Was soll das ewige Herbeischwören von Gemeinsamkeiten mit weitestgehend unbekannten Menschen (fast 70.000 Mitglieder?), welches zunächst auf einer rein formellen Mitgliedschaft beruht? Natürlich gibt es Gemeinsamkeiten in so einem Verein: ein linkes Grundverständnis, was mensch hinterfragen kann, (ob man sich gegenseitig zugesteht, ist dann eine andere Frage – Was ist links?), Ablehnung von Hartz-IV, gegen Nazis, Ablehnung von innenpolitischen Repressionen und Überwachung, z.B. Vorratsdatenspeicherung und Strafanzeigen gegen Linke-Mitglieder, weil sie Nazis-Demos blockiert haben, gegen die verfassungsrechtlich eingeführte Schuldenbremse… Und nun? Gleichzeitig wird beschworen, dass DIE LINKE eine pluralistische Partei ist. Ja, es werden kleinteiligere Debatten geführt als bei SPD, Grünen, CDU, weil sich die Mitgliederschaft nicht auf alles “einschwören” lässt. Gleichzeitig ist DIE LINKE in ihren Debatten niemals so oberflächlich wie die Piraten, die ggf. noch gar keine Meinung haben… So, und nun? Abgrenzung ist klar, janz toll!
Wer liefert mir die Lösung für den Umstand, dass ich mit Menschen aus der CDU, die Hartz IV ablehnen, besser auch über andere Themen diskutieren und reflektieren kann, als mit eigenen Genoss*innen – bei gleichzeitiger (Bundes-)Ablehnung von kommunalpolitischen Kooperationen der CDU mit der LINKEN? Wer liefert mir die Lösung, dass ich total offene und nette SPDler*innen kenne und dann gleichzeitig solche, mit denen ich kein Wort mehr wechseln möchte?
Ganz ehrlich: Ich brauche vielleicht keine Lösung von anderen. Die liefere ich mir selber – gemeinsam mit Menschen, mit denen ich was gemeinsam bewegen kann – komischerweise spielen Kompromisse viel weniger einer Rolle, was die konkreten Projekte angeht – um es joch mal zu erwähnen: Protest gegen Nazis, gegen soziale Nachteile etc.. Nicht zuletzt: Die Meinung leiste ich mir auch, auch ohne die die 90%ige Unterstützung meiner Partei… ich brauch keine Lösungen, die mir Menschen (und damit meine ich ganz klar bestimmte Kreise auf Bundesebene – und nur bedingt die Mitarbeiter*innen) also solche diktieren wollen: Warum sollen es immer die 100% oder 99% sein? Die Mehrheit der Gesellschaft beginnt bei 50%… Warum muss es immer größer und mehr sein?
3.
…
Hier bricht die Geschichte ab. Weil die Grundlage nicht mehr dieselbe ist, mit der ich diesen Artikel mal begonnen habe… ja, das ist verrückt, lief dann aber schon den gesamten Tag so, im Halb-Stunden-Takt. Fassungslos. To be continued…
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